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dSoniq Realphones

Lautsprechersimulation für Kopfhörer

Kurz & knapp

Insbesondere im Tonstudio entpuppt sich Realphones als vielfältiges Werkzeug, mit dem sich die tägliche Arbeit mit dem Kopfhörer verlässlicher gestalten lässt. Hervorzuheben sind die Linearisierung unterschiedlichster Kopfhörermodelle, die mögliche Raum- und Lautsprechersimulation sowie die sinnvollen Möglichkeiten der Signalkontrolle. Je weniger die Arbeitsumgebung akustisch optimiert ist, etwa auf Reisen, desto häufiger wird man zum Kopfhörer greifen. Gleiches gilt auch für Arbeiten zu später Stunde. Da sind einhundert Euro für das Professional Pack eine sinnvoll angelegte Investition, einen guten und kompatiblen Kopfhörer vorausgesetzt. Aber auch reine Musikhörer können von der Linearisierung und den umfassenden Möglichkeiten der Klangregelung von Realphones profitieren. Wer regelmäßig am Rechner Musik hört, sollte sich zumindest nicht entgehen lassen, die 40-Tage-Trial-Version auszuprobieren. Das Produkt ist online beim Hersteller und mitunter mit attraktiven Nachlässen erhältlich.

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Mit Kopfhörern mischen ist problembehaftet, denn sie unterscheiden sich klanglich von Lautsprechern, weil sie direkt und ohne Reflexionen im Raum in das Ohr strahlen. Auch werden Lautsprecher vor dem Hörer platziert und übermitteln konzeptbedingt Schall jeweils an beide Ohren. So ist es kein Wunder, dass die Mischung nicht identisch klingt, was durchaus für Komplikationen sorgen kann. Die russische Firma dSoniq widmet sich mit Realphones genau diesem Problem.

So adressiert die Software, die sowohl Stand-alone als auch in den gängigen Windows- und Mac-Plug-in-Formaten (VST2/3, AU, AAX) in 32 und 64 Bit läuft, auch den Frequenzgang des Kopfhörers, die Breite der Stereowiedergabe sowie die Einflussnahme der Physiognomie auf die Akustik (HRTF). Hinzu kommen typische tontechnische Werkzeuge, die für den Abhörvorgang sinnvoll sind. Mit dieser Ausstattung wendet sich Realphones vor allem an professionelle Tonschaffende, die mit Kopfhörern arbeiten und dabei verlässliche Ergebnisse erzielen möchten, die auch im Betrieb mit Lautsprechern funktionieren sollen.

Angebot

Realphones ist in drei Preisvarianten erhältlich. Die Software selbst ist dabei stets identisch, lässt sich auf drei Rechnern aktivieren und unterscheidet sich nur in der Anzahl der Kopfhörerprofile. In der günstigen Lite-Version sind diese komplett optional. Da sind 30 Euro für das Professional Pack zusätzlich gut angelegt, um direkt drei frei wählbare Kopfhörer nutzen zu können. Wer mehr Auswahl sucht, kann entweder Profile in Dreierpacks nachrüsten oder gleich zur Ultimate-Version greifen, die dann alle Profile (mehr als 100) umfasst (https://www.dsoniq.com/standard).

Inbetriebnahme

Um diese Aufgaben meistern zu können, wird Realphones zwischen der Klangquelle und der Tonausgabe des Rechners platziert. Das funktioniert über mehrere Treiber. Dabei kann man beispielsweise unter Windows 10 die Stand-alone-Version mit einem Systemtreiber nutzen. So kann man über einen Medien-Player wie VLC oder für den Streaming-Dienst Tidal Realphones als Ausgang auswählen, um das Audiosignal in die Software zu routen. Realphones kann sogar selbst Audiodateien über einen integrierten Player abspielen.

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Öffnet man hingegen eine Software zur Tonproduktion, in unserem Fall Cockos Reaper 6, so adressiert die Software wie gehabt ein dediziertes Audio-Interface (in diesem Fall kam als Ausgabegerät das USB-Audio-Interface Focusrite Clarett 4Pre USB mit einem integrierten Kopfhörerverstärker zum Einsatz). Realphones wird in diesem Szenario als Plug-in in die Summe des virtuellen DAW-Mischpults eingeklinkt. Man hört also seine kompositorischen und tontechischen Arbeiten über die Anpassungen von Realphones ab. Einzig beim Abschließen der Arbeiten ist das Plug-in dann zu entfernen, um die Ergebnisse neutral zu speichern, denn es handelt sich ja nur um eine Korrektur im Abhörweg.

Praxis

Ein bisschen Zeit sollte man sich nehmen, um den Signalverlauf und die Funktionalität in Realphones zu erfassen; die Bedienung selbst ist dabei komfortabel und übersichtlich. Gleichwohl gibt es eben zahlreiche Schalter und Regler und insofern jede Menge Möglichkeiten zur Klanganpassung in Realphones. Da kann man durchaus die Übersicht zwischen neutralem Klang und möglicher Verbesserung verlieren. Zum Glück lassen sich gefundene Einstellungen aber speichern. Es sind sogar fünf Taster auf der Bedienoberfläche vorgesehen, die einen besonders schnellen Zugriff auf Lieblingseinstellungen ermöglichen. Für sinnvolles Arbeiten ist meines Erachtens empfehlenswert, eine Auswahl von Presets vorzubereiten, die eine Beurteilung auf dem Kopfhörer oder auf virtuellen Alternativlautsprechern ermöglichen.

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Aufgabe 1: Linearisierung

Nicht jeder Kopfhörer liefert einen linealglatten Frequenzgang. Realphones hat eine Auswahl von mehr als 100 Kopfhörermodellen vermessen und korrigiert deren Frequenzgänge auf digitaler Ebene, um diese in Richtung Neutralität zu trimmen. Die Informationen auf der Webseite in Form unskalierter Messdiagramme sehen zwar nett aus, dürften aber ruhig technisch etwas fundierter sein. Grundsätzlich ist die Idee plausibel und auch bei einigen Mitbewerbern wie Sonarworks zu finden. Gleichzeitig sollte man sich aber darüber im Klaren sein, dass der Hersteller möglicherweise auch eine bewusste Abstimmung getroffen hat. Das gilt eventuell für die Auslegung des Bassbereichs. So kann es durchaus sein, dass eine gewollte Absenkung im tieferen Bass eine konstruktive Entscheidung ist, um ein Taumeln der Membranen zu vermeiden. Insofern ist es absolut sinnvoll, dass sich der Grad der Linearisierung in Realphones frei regeln lässt. Auch werden die Profile durch den Hersteller fortwährend verbessert und laut eigenen Angaben teils im Tiefbass bei der Linearisierung begrenzt, um die genannten Verzerrungen zu vermeiden.

In der Praxis ist die Klangverbesserung vom Kopfhörer abhängig. So würde ich beim Sennheiser HD 660 S (zum Test) von einer eher geschmacklichen Note sprechen. Das Signal wurde in den Höhen weiter betont und fällt im Ergebnis luftiger aus. Andererseits klang es bei Musik mit explizit verzerrten Gitarren dann leicht betont in den Hochmitten und weniger rund als zuvor. Folglich entschied ich mich daher für einen vermittelnden Wert. Auch der Sennheiser HD 650 (zum Test) gewinnt an Luftigkeit in den oberen Frequenzen. Dazu wirkt der Klang hier im Bassbereich aufgeräumter und weniger aufschwingend. Je besser der Kopfhörer, desto geringer dürfte die Klangverbesserung ausfallen. In jedem Fall aber lassen sich über die Regler „Presence“, „Pressure“ und „Density“ fein greifende Änderungen an der Gesamtabstimmung in unterschiedlichen Aspekten vornehmen, die geschmackvoll und wenig plakativ ausfallen. Und zusätzlich lässt sich das Signal über den dreibandigen EQ deutlicher umformen. Ebenfalls gefällt mir die Möglichkeit, den Bassbereich über einen virtuellen Subwoofer „aufzublasen“. Damit wären wir bei …

Aufgabe 2: Lautsprecher im Raum

Lautsprecher können das überbreite Stereopanorama und die perfekte Kanaltrennung eines Kopfhörers nicht liefern. Das führt im dümmsten Fall zu inkompatiblen Klangbildern beziehungsweise Mischfehlern. Entsprechend lässt sich in Realphones eine binaurale Raumsimulation (Ambience) einschalten, die eine Moskauer Filmregie mit drei umschaltbaren Monitoren abbildet, basierend auf Impulsantworten. Hierbei handelt es sich um digitale „Fingerabdrücke der Lautsprecher im Raum“, die in Echtzeit mit dem Nutzsignal verrechnet werden und dieses mit dem Klang der Situation vor Ort versehen. Dabei kann der Raumanteil nicht nur verringert, sondern auch überhöht werden. Hiermit verknüpft ist auch der Regler „Warmth“, der die Klangfarbe der Reflexionen beeinflusst.

In der Praxis wird das Klangbild ein wenig von der Ortung innerhalb des Kopfes gelöst, insbesondere durch die ergänzende Möglichkeit, das Stereopanorama stufenlos bis hin zu einer Monowiedergabe zu verringern und durch Ergänzen der recht subtilen HRTF-Funktion. Zumindest eine 60-Grad-Begrenzung des Stereopanoramas entspricht dabei dem konventionellen Hören mit Lautsprechern. Zwar gibt es keine dedizierte Crossfeed-Regelung wie bei den Kopfhörerverstärkern von SPL, aber ein Übersprechen ergibt sich durch den gewählten Lautsprecher-Winkel. Durch die Faltung mit den Impulsantworten stellt sich eine gewisse Räumlichkeit ein, die die Reflexionen der Lautsprecher im Raum nachbilden, die eben zusätzlich unsere beiden Ohren erreichen – eine perfekte Kanaltrennung gibt es also nicht mehr.

Diese Raumsimulation arbeitet angenehm subtil und führt zu einer erhöhten Diffusion, die jedoch nicht störend wirkt (weil es sich um eine gut klingende Studioregie handelt). Laut Hersteller soll sich durch diese Maßnahme eine verbesserte Körperhaftigkeit und ein besserer Zusammenhalt der Mischung ergeben. Das kann ich nur in Grenzen bestätigen, wohl aber rückt das Klangbild tatsächlich etwas von der lupenhaften Präzision guter Kopfhörer ab. Angesprochen auf den naheliegenden Wunsch weiterer Raumsimulationen, teilte uns dSoniq mit, dass perspektivisch Ergänzungen des Angebots bereits in Planung seien. Dennoch, echtem Lautsprecherklang kommt man über die Raumsimulation zwar etwas näher, allerdings bleibt das Klangerlebnis unter dem Kopfhörer weiterhin abweichend: Weder spielt das Klanggeschehen „vor dem Hörer“, noch hat man das physikalische Erleben eines großen Lautsprechers im Bassbereich. Letzteres lässt sich zumindest per Density-Regler etwas nachempfinden. Laut Hersteller liegt der Fokus von Realphones auf dem Vermeiden von Mischfehlern durch die Nutzung von Kopfhörern. Auf eine virtuelle Vorne-Lokalisierung hat man aus technischen Gründen bewusst verzichtet, da diese mitunter zu störenden Kammfiltereffekten führt.

Aufgabe 3: Heute mal ein anderer Lautsprecher

Ein weiteres Problem der Tontechnik ist die Einschätzung der Abhörsituation des potenziellen Hörers. Es gibt unzählige Ausgabegeräte, die immer wieder anders klingen. Entsprechend wird ein Tontechniker typischerweise versuchen, mit seiner Mischung einen allgemeingültigen Klang zu erreichen. Das wiederum erzeugt ein Paradoxon: Einerseits muss sein Monitor so ehrlich und hochauflösend sein, um Fehler in der Mischung zu offenbaren, andererseits soll er aber auch ermöglichen, die Hörsituation des Konsumenten verlässlich einzuschätzen. In der Praxis sind daher alternative Abhören gängig ebenso wie der Gang ins Auto für eine alternative Hörsitzung.

Realphones bietet auch hier eine Lösung: So ist der beschriebenen Raumsimulation eine weitere Simulation nachgeschaltet, die den Frequenzgang unterschiedlicher Lautsprecher in variabler Dosierung nachempfindet. So verwandelt man die Full-Range-Wiedergabe im Nu in einen Multimedia-Lautsprecher, einen alten Nahfeldmonitor mit reduziertem Bass oder einen Bluetooth-Kopfhörer. Neben der Neutraleinstellung bietet dieser Bereich elf Monitorvarianten, auf denen die Mischung „gegengehört“ werden kann. Das ist durchaus praktisch und muss meines Erachtens die Vorlagen auch nicht perfekt imitieren. Ein weiterer Eintrag an gleicher Stelle ist der bereits erwähnte virtuelle Subwoofer, der tatsächlich den entsprechenden Basswumms recht überzeugend simuliert.

Aufgabe 4: Tontechnische Überprüfung des Materials

Da sich Realphones vorrangig als Werkzeug für tontechnische Arbeiten versteht, bietet es eine Reihe von Zusatzfunktionen, die eine Bewertung und Kontrolle des Signals erleichtern. Dazu zählen eine Pegelanzeige (ohne Skalierung) mit Übersteuerungswertanzeige und möglicher Pegelkompensation. Natürlich gibt es Pegel- und Balance-Regler sowie ein Tastenfeld, über das sich der linke und rechte Kanal abhören lassen, aber auch Mitten- und Seitensignale. Hinzukommen Tasten zur Phasenumkehr, Monoschaltung und Kanalumkehrung. Ferner gibt es die Möglichkeit, Bass, Mitten und Höhen nach Bedarf isoliert abzuhören oder auch stumm zu schalten. Schließlich fehlt auch ein Limiter nicht, der mögliche Übersteuerungen, die etwa durch EQ-Einstellungen entstehen können, abfängt. Zu guter Letzt lässt sich Realphones sogar mit Sonarworks-Reference- und Toneboosters-Morphit-Profilen kombinieren, etwa wenn man eine externe Linearisierung nutzen möchte.

vor 3 Jahren von Ulf Kaiser
  • Bewertung: 4.25
  • Sound
  • Handling
  • Preis/Leistung
  • Funktion

Technische Daten

  • BauformSoftware

Besonderheiten

  • Systemvoraussetzungen: Standalone, VST (Win, Mac), VST3 (Win, Mac), AU (Mac) Mac OS X 10.9, Windows 7 oder neuer
  • Hersteller-Website: https://www.dsoniq.com

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