Der Sennheiser HD 490 Pro beziehungsweise der HD 490 Pro Plus mit erweiterter Ausstattung entpuppen sich als klanglich ansprechende, angenehm transparente und linear abgestimmte offene Kopfhörer, die gleichermaßen kritischen Anforderungen bei der professionellen Tonbearbeitung und -beurteilung als auch audiophilen Ansprüchen gerecht werden. Der Tragekomfort ist hoch und die Zugabe der Software dearVR MIX-SE durchaus sinnvoll.
- luftiges, aufgeräumtes und detailreiches Klangbild
- hoher Tragekomfort
- inkl. Lizenz von Dear Reality dearVR MIX-SE
Der HD 490 Pro Plus ist Teil der Pro-Audio-Kollektion von Sennheiser. Ein kabelgebundener Studiokopfhörer, der auf eine moderne Konstruktion setzt und sich beispielsweise für Schnittarbeiten oder in der Regie bei Aufnahmen, Mischung sowie der Produktion im Allgemeinen empfiehlt und sich dabei durch Neutralität und hohe Detailauflösung auszeichnen soll. Gleichzeitig spricht natürlich nichts dagegen, den offenen Kopfhörer auch für den reinen Musikkonsum zu nutzen.
Die Modellbezeichnung Plus bedarf einer Erklärung. Es handelt sich auch bei diesem Kopfhörer um den HD 490 Pro, der eine unverbindliche Preisempfehlung von 399 Euro aufweist. In der Plus-Edition (UVP: 479 Euro) gehören jedoch ein zweites Anschlusskabel mit 3,0 Meter Länge, eine Formtasche sowie ein zusätzliches Kopfbügelpolster zum Lieferumfang, die man sonst gesondert budgetieren müsste.
Die elegante Kunststoff-Metall-Konstruktion ist mattschwarz und scheint durchaus robust genug für den täglichen Einsatz. Das längenverstellbare Kopfband auf Basis eines breiten Metallbügels ist ebenso gepolstert wie die Hörmuscheln selbst. Diese liegen wie auch das Kopfbandpolster sowohl in Velours- als auch Textilversionen bei, die nach Herstellerangaben durchaus unterschiedlich klingen.
Die offene Rückseite der dynamischen durch Neodym-Magneten angetriebenen 38-mm-Treiber ist durch Gitter geschützt. Die Treiber arbeiten daher bei der Rückbewegung also nicht gegen ein geschlossenes Luftvolumen, sondern schwingen frei in beide Richtungen. Umgekehrt gelangt Schall nach außen, weshalb sich der Einsatz im Aufnahmeraum verbietet.
Das 1,8 Meter lange Anschlusskabel wird einseitig geführt, wahlweise links oder rechts. Es endet auf einer 3,5-mm-Klinke, auf die ein mitgelieferter Adapter auf das 6,3-mm-Klinkenformat aufgeschraubt ist – beide vergoldet. Ein symmetrisches Anschlusskabel für audiophile Musikhörer ist gegen Aufpreis verfügbar.
Der Sennheiser HD 490 PRO Plus in der Praxis
Der Tragekomfort ist hoch. Die Konstruktion ist leicht (260 Gramm), ergonomisch und ausreichend „luftig“ um unerwünschtes Schwitzen zu vermeiden. Die waschbaren Ohrpolster sitzen weich, aber mit genügend Anpressdruck auf den Ohren, ohne dabei zu stören. Gleichzeitig sind die Hörmuscheln leicht dreh- und schwenkbar, um sich der Kopfform anzupassen. Sie verfügen zudem auf der Innenseite über eine eindeutige Rechts/Links-Kennzeichnung. Dank der guten Polsterung sind auch längere Hörsitzungen kein Problem, wobei mir die Velours-Variante subjektiv klar besser gefällt. Die Polster sind ebenso wie das Anschlusskabel austauschbar, sodass man hoffentlich auch noch nach Jahren der Nutzung für Ersatz sorgen kann.
Die Anschlusskabel sind hinter dem oberen Anschluss in wenigen Windungen als Spirale ausgeführt, wodurch sich laut Hersteller die Übertragung von Körperschall und Kabelgeräuschen reduziert.
Die Treiber sind leicht geneigt verbaut und sollen damit die entsprechende Stellung von Monitorlautsprechern nachbilden. Die Entscheidung für unterschiedliche Ohrpolster ist laut Sennheiser das Ergebnis auf einer umfassenden Umfrage. Hier kann man sich zwischen einer gefälliger und warm abgestimmten Velours-Variante für die Produktion und einer etwas neutraler abgestimmten Textil-Polsterung für die Mischung entscheiden.
dearVR MIX-SE – Mehrwert durch Software
Zum Lieferumfang gehört eine Lizenz des Plug-ins dearVR MIX-SE von Dear Reality. Hierbei handelt es sich um eine Ergänzung für die digitale Produktionsumgebung (DAW), die den Toningenieur in einen virtuellen Studioraum mit umschaltbarer Akustik versetzt. Dieser soll unter anderem ermöglichen, das spezifische Klangbild von Studiomonitoren über Kopfhörer zu erhalten. Um glaubhafte Ergebnisse zu erreichen, kombiniert die Software dabei die nachgebildeten Räume mit Informationen über den Frequenzgang des Kopfhörers.
Für meine Begriffe erreicht die Simulation durchaus passable Ergebnisse. Zwar gelingt die Illusion nicht perfekt, aber dennoch wird die typische Ortung von Signalen im Kopf abgemildert und nach vorn verlegt.
So klingen die Sennheiser HD 490 PRO Plus
Sennheiser lehnt sich mit der Bezeichnung „professioneller Studio-Referenzkopfhörer“ durchaus selbstbewusst aus dem Fenster. Der HD 490 Pro soll sich für die Produktion, die Mischung und das Mastering gleichermaßen eignen und dabei auch kritische Beurteilungen ermöglichen.
Laut Hersteller fallen Audioproduktionen heute aufwendiger denn je aus. Das liegt unter anderen an den Möglichkeiten moderner Produktionssysteme, die Parameterautomationen im Zeitverlauf ermöglichen und somit Bewegung in den Klang bringen, der man als Hörer natürlich idealerweise folgen kann. Hinzu kommen nahezu unbegrenzte Möglichkeiten beim Aufeinanderschichten und Kombinieren von Klängen. Die resultierenden Mischungen entstehen teils im Rechner, teils im hybriden Zusammenspiel von Rechner und analoger Peripherie. So entstehen Charakter und Komplexität, die man als Tonschaffender hören und bewerten können muss.
Schon der gemessene Frequenzgang zeigt ein weitgehend ausgewogenes Spektrum mit leichtem Abfall ab 1 kHz abwärts und einem „Präsenzbuckel“ bei 10 kHz. Der Hörtest fand an einem Shanling M3X DAP (Test) statt. Dieser lieferte eine hinreichende Leistung, um den HD 490 Pro auf Betriebstemperatur zu bringen.
Kräftige Pegel sind für ein fülliges, druckvolles Klangbild jedoch nicht nötig, wenngleich der Kopfhörer hohe Pegel anstandslos und sauber verarbeitet. Yellos „Pan Blue“ lieferte direkt einen guten Eindruck des fein aufgelösten, präzise verortbaren, breiten und umfassend animierten Stereopanoramas dieser Produktion, die zudem mit etlichen Raumeffekten aufwartet. Der Titel zeigt zudem die vorhanden Tiefbasskapazitäten des Kopfhörers.
Der allgemeine Klangeindruck ist druckvoll, luftig, präzise und ausgewogen. „Katsching“ von Adel Tawil zeigt weitere Aspekte der Basswiedergabe. Unterschiedlich intonierte Bassdrums mit unterschiedlicher Dynamik und Abklingdauer werden sicher und mit der nötigen Definition abgebildet. Eine Überbetonung stelle ich nicht fest, aber auch keine auffällig schlanke Abstimmung.
Ein schönes Panorama aus den Anfängen der Stereofonie zeigt „I Fall to Pieces“ von Patsy Cline von 1961. Um im Genre zu bleiben: Bei „Still Woman Enough“ hört man im Refrain von Loretta Lynn, Reba McEntire und Carrie Underwood klar die leichten Variationen in Timing und Intonation der drei Sängerinnen. Alle Stimmen verfügen über eine angenehme Fülle im Mittenbereich. Ebenso beeindruckend die meisterhafte George-Massenburg-Produktion „Cold Hard Business“ von John Starling, die Intimität mit Weite, Raumtiefe und feinen Dynamikabstufungen verbindet. An dieser Stelle wird klar, dass der HD 490 Pro tatsächlich eine sichere Bewertung der Frequenzen, der Dynamik und des Stereopanoramas ermöglicht.
Auch bei der Wiedergabe härterer Rockgenres und von Metal überzeugt mich das Testgerät. Bei AC/DC schiebt es ebenso druckvoll wie bei Alice in Chains, während die extremeren Titel von Meshuggah, Exodus oder Slayer trotz höchster Tempi die beteiligten Musiker gut voneinander abgrenzen. Der spezifische Charakter der Mischungen bleibt dabei jederzeit erkennbar.
Störende Härten, unabhängig von entsprechenden Mischungen, stelle ich ebenfalls nicht fest. Gleichzeitig ermöglicht das Testgerät aber durchaus entsprechende Grenzbereiche im tontechnischen Sinne zu erkennen und beispielsweise bei der Arbeit mit Equalizern zu umfahren. Dabei kam die DAW Cubase mit einem Clarett-Audio-Interface von Focusrite zum Einsatz.
Konkurrenz aus eigenem Hause?
Ein nahe liegender Mitbewerber ist Sennheisers eigener HD 660S (Test), der in der audiophilen Produktlinie zu finden ist (Sennheiser Hearing). Im Direktvergleich klingt der HD 490 Pro für mich mit den Stoffpolstern etwas offener und ist dabei schlanker und aufgeräumter abgestimmt. Umgekehrt gibt er sich in den unteren Mitten weniger füllig und im Tiefbass nicht ganz so souverän. Man dürfte den kostspieligeren HD 660S zumindest in der mir vorliegenden ersten Version daher als „wärmer“ beschreiben. Detailauflösung und Zeitverhalten sind vergleichbar, dennoch erarbeitet sich der HD 660S aus meiner Sicht hier einen kleinen Vorsprung, was ebenfalls für den nochmals höheren Tragekomfort gilt.
Fazit
Sennheisers Pro-Audio-Sparte zeigt mit dem HD 490 Pro einen Kopfhörer, der sich an Tonschaffende im Studio- und Produktionsbereich wendet. Anders als die geschlossenen HD-Modelle aus diesem Bereich und die In-Ear-Monitore für den Bühneneinsatz handelt es sich hierbei um eine offene Over-Ear-Konstruktion, die bei der Klangwiedergabe transparenter agiert und somit eine bessere, besonders unangestrengte tontechnische Kontrolle ermöglicht.
Ein spannendes Produkt für Produzenten, professionelle Studios, Schnittplätze aber auch für ambitionierte heimische Musikproduktionen. Letztere dürften sich insbesondere über die mitgelieferte Software zur Regie-Simulation freuen. Schließlich dürfte das Testgerät auch Musikliebhaber ansprechen, die einen ehrlichen, detailfreudigen dynamischen Kopfhörer suchen. Die vorliegende Plus-Edition, wartet mit zusätzlicher Ausstattung auf, die sich in der Praxis als durchaus sinnvoll erweist.
- 455,00 € *Zum Angebot
Technische Daten
- BauformOver-Ear
- Bauweiseoffen
- Wandlerprinzipdynamisch
- Audio-Übertragungsbereich (Hörer)5 - 36.000 Hz
- Impedanz122 Ohm
- Schalldruckpegel (SPL)96,29 dB
- Druck gemittelt aus großem und kleinem Kopf538 g
- Gewicht mit Kabel310 g
- Gewicht ohne Kabel255 g
- Kabellänge290 cm
Lieferumfang
- 1,8 m Anschlusskabel
- ca. 3 m Anschlusskabel
- 1 Satz Stoff-Ohrpolster zur Mischung
- 1 Satz Velours-Ohrpolster zur Produktion
- 1 zusätzliches Stoff-Kopfbügelpolster
- Premium-Case
Besonderheiten
- in zwei Versionen erhältlich (Plus-Version mit zusätzlichem Zubehör)
Also wurde echt nur mit Stoff Polster getestet, obwohl alles von den anderen Pads schwärmt?
Die Frequenzkurve vom Sennheiser HD 490 ist nahezu identisch jener vom Neumann NDH 30. Zudem ist vermutlich der gleiche Treiber eingebaut: Neodym Wandler-Magnet mit 38 mm Durchmesser.
Da der Hersteller Sennheiser electronic GmbH & Co. KG zum Georg Neumann KG Unternehmen gehört habe ich diese Frage: Wurde beim Sennheiser HD 490 Kopfhörer die gleiche Treiber-Technologie verwendet wie bei beim Neumann NDH 30?
Ein Vergleich zwischen dem Neumann NDH-30 und den HD490 würde mich auch brennend interessieren. Welcher Kopfhörer ist nun besser?!?